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BGH-Urteil zu Bestechung
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Ärzte dürfen Geldgeschenke von Pharmafirmen annehmen
Die Richter sprechen von „korruptivem Verhalten“, strafbar seien selbst hohe Provisionen von Pharmafirmen an Ärzte aber nicht. Damit bleibt ein gewaltiger Graubereich unverfolgt.
Eine Pharmareferentin verteilte Schecks an Kassenärzte. Die Mediziner verordneten dafür Präparate des Unternehmens. Nicht strafbar, urteilte der Bundesgerichtshof.© Tobias Has/DPA
Kassenärzte, die für die Verordnung von Arzneimitteln Geschenke von Pharma-Unternehmen entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit strafbar. Das entschied der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss. Die Richter sprechen zwar von „korruptivem Verhalten“ – dies sei jedoch nach geltendem Recht nicht strafbar. Damit bleibt der große Graubereich zwischen Ärzten und Pharmaindustrie bestehen. Die Grundsatzentscheidung des BGH war im Gesundheitswesen seit Monaten mit Spannung erwartet worden.
Der niedergelassene Arzt handele weder als „Amtsträger“ noch als „Beauftragter“ der gesetzlichen Krankenkassen, hieß es zur Begründung. Auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten Vorteile gewähren, seien entsprechend nicht wegen Korruptionsdelikten bestrafbar, entschied der BHG.
Kassenärzte bekamen je 18.000 Euro
Im konkreten Fall hatte eine Pharmareferentin Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 Euro übergeben. Sie war zunächst wegen „Bestechung im geschäftlichen Verkehr“ zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Grundlage der Zahlungen war ein als „Verordnungsmanagement“ bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des Unternehmens fünf Prozent des Abgabepreises erhalten sollten.
Die Richter sprechen ausdrücklich von „korruptivem Verhalten“ von Ärzten und Pharmavertretern, das aber nach geltendem Recht nicht strafbar sei. Darüber zu befinden, „ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig sei und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist die Aufgabe des Gesetzgebers“, heißt es in der Mitteilung des BGH.
Mediziner keine Beauftragten der Krankenkassen
Eine Strafbarkeit wegen „Bestechlichkeit“ oder „Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr“ hätte vorausgesetzt, dass der Arzt entweder „Amtsträger“ ist oder zumindest als „Beauftragter“ der Krankenkassen tätig wird. Beides sei nicht der Fall, entschieden die elf Richter des großen Senats. Dieser entscheidet nur in Grundsatzfragen und soll für eine einheitliche Rechtsprechung sorgen.
Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde“, so die Richter. Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient sei „wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist“.
Ärzte sollen freiberuflich bleiben
Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) wolle an der Freiberuflichkeit der Vertragsärzte nicht rütteln, sagte sein Sprecher. Die Entscheidung werde hoffentlich zu einer Versachlichung der Diskussion beitragen. „Die Freiheit der Ärzte ist eine der Stärken unseres Gesundheitswesen“, betonte auch der gesundheitliche Sprecher der Uninonsfraktion im Bundestag, Jens Spahn.
Soweit die Panorama-Nachrichten über das neue BGH-Urteil vom 22. Juni 2012
Kommentar: Ob der Patient das auch so sieht?
Zumindest werden durch den Beruf Geschädigte hier zum Nachdenken angeregt. Die Meisten haben ihre Erfahrungen mit der Berufsgenossenschaft bereits gemacht und sind abgeschmettert worden, weil ihre Krankheit von Gutachtern nicht anerkannt wurde.
Aber ob anerkannt oder nicht: Fest steht, dass diese Menschen krank sind. Der Gedanke, dass ihre Ärzte sie nun nicht mehr effektiv behandeln könnten, weil sie möglicherweise nur noch solche Medikamente verschreiben, die sowohl der Pharmaindustrie als auch der Ärzteschaft ein gutes Geschäft versprechen, lässt doch zumindest ein sehr ungutes Gefühl aufkommen.
Aber nicht alle Ärzte lassen sich von der Pharmaindustrie sponsern, siehe:
aerzteblatt.de
Mediziner gründen Initiative unbestechlicher Ärzte und Ärztinnen
Dienstag, 6.Februar 2007
Bielefeld/Berlin
Ärzte aus Praxen und Krankenhäusern sowie Mediziner der Nichtregierungsorganisationen Transparency International Deutschland und der BUKO Pharmakampagne haben den Verein Mezis e. V. als Initiative unbestechlicher und unabhängiger Ärzte gegründet. Mezis stehe für „Mein Essen zahle ich selber“, teilte der Verein mit. Dies sei eine Aussage, die für viele Ärzte nicht selbstverständlich sei. Pharmareferenten würben in Praxen für ihre Produkte, bezahlten das Essen auf Fortbildungen und lüden zu Vorträgen in Hotels ein.
Mezis verstehe sich als Teil eines Netzwerkes gegen Einflussnahmen der Pharmaindustrie auf das Verordnungsverhalten von Ärzten. In Italien, Großbritannien und den USA arbeite die Initiative unter dem Leitmotiv „no free lunch“ bereits erfolgreich.
„Die Kassenärztliche Vereinigung Bayern unterstützt diese wichtige Initiative als Gründungsmitglied“, sagte deren Vorstandsmitglied Axel Munte. Bei Mezis ebenfalls engagiert ist Bruno Müller-Oerlinghausen, bis vor kurzem Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. „Den einseitigen Werbeveranstaltungen der Arzneimittelhersteller muss etwas entgegengesetzt werden“, betonte Müller-Oerlinghausen.
Neben dem Aufbau einer Internet Plattform will Mezis noch in diesem Jahr in Workshops die Erarbeitung eines Kodex für Ärztinnen und Ärzte anstoßen. „Ein besonderes Augenmerk wird dabei darauf liegen, auch die medizinischen Fachverbände und Universitätskliniken einzubeziehen“, sagte Klaus Lieb vom Universitätsklinikum Freiburg. Außerdem will der Verein wissenschaftliche Untersuchung fördern, welche die Auswirkungen des Pharmamarketings auf das ärztliche Verordnungsverhalten untersuchen. © hil/aerzteblatt.de
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