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Offener Brief an die Bundeskanzlerin
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Sehr geehrte Frau Merkel,
Sie haben, ehe Sie die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke im Herbst 2010 beschlossen haben, im Vorfeld mit den Betreibern dieser umstrittenen Kernkraftwerke verhandelt. Wahrscheinlich waren die Atom-Konzerne harte Verhandlungspartner, das zeigt das Ergebnis. Die angestrebte Laufzeitverlängerung spült den Konzernen E.On, RWE, EnBW und Vattenfall pro Tag und pro AKW eine Million Euro in die Taschen. Obwohl die Bürger diese immense Summe kaum nachvollziehen können, sind Sie und Ihre Regierung vor der Macht dieser Atomlobby eingeknickt.
Inzwischen hat der Super-Gau in Japan gezeigt, dass Atomkraft nicht beherrschbar ist. Verglichen mit der Tschernobyl-Katastrophe, kündigt sich hier ein Schaden apokalyptischen Ausmaßes an. Denn im Gegensatz zum Tschernobyl-Reaktor, der vor 25 Jahren in der Ukraine explodierte, lagert in den vier betroffenen Reaktoren in Fukushima die 120-fache Menge an radioaktivem Material.
Sie haben als Kanzlerin – nicht zuletzt – vor den anhaltenden Demonstrationen und Menschenketten der Atom-Gegner ihre Haltung geändert und eine sofortige Abschaltung der sieben alten und maroden Kernkraftwerke veranlasst. Ein Moratorium soll in drei Monaten klären, ob die deutschen Kernkraftwerke sicher sind (Hätten Sie das nicht schon vor der Laufzeitverlängerung abklären müssen? Statt uns nachdrücklich zu versichern, die deutschen Atomkraftwerke seien sicher!? Die häufigen Störfälle, noch dazu oft verschwiegen oder bagatellisiert, sprechen doch eine deutliche Sprache).
Was die Bürger nun brennend interessiert: Sicher hat es doch – vor der sofortigen Abschaltung der sieben Kernkraftwerke – wiederum eine Verhandlung mit der Atomlobby gegeben? Wie haben denn die Herren von Eon, Vattenfall, RWE und EnBw auf die sofortige Abschaltung reagiert? Sind sie durch die Vorgänge in Fukushima ebenso betroffen gewesen wie die übrigen Bürger dieses Staates? Waren sie einsichtig und stimmten der Abschaltung zu? Oder akzeptierten sie die Abschaltung nur zähneknirschend unter der Bedingung, dass sie für den entgangenen Gewinn täglich mit mindestens einer Million Euro pro abgeschaltetem AKW entschädigt werden?
Eine Million mal sieben AKWs mal neunzig Tage. Das sind 630 Millionen Euro – eine Menge Holz. Und die Kosten für die „Überprüfungen“ während des Moratoriums kommen da noch dazu. Wer zahlt denn diese enormen Kosten? CDU und FDP aus ihrer Wahlkampfkasse?
Oder ist es der deutsche Steuerzahler, der letztendlich zur Kasse gebeten wird? Und der ertragen muss, dass die „versäumten Laufzeiten“ auf die anderen AKWs obendrauf addiert werden?
Ihrer Antwort auf meine Fragen sehe ich mit Interesse entgegen.
Hochachtungsvoll
Ingeborg Kroth
Koblenz, 17. März 2011