Brief aus Fukushima

Atomkraft? Nein Danke!

Die Medien bringen z. Z. absolut nichts mehr über Fukushima – es ist fast so, als ob es dieses Erdbeben und den katastrophalen Atomunfall nie gegeben hätte!

Lesen Sie bitte diese erschütternde Nachricht aus Fukushima!

Herr Dr. Bernhard, Koblenz, stellte sie zur Verfügung:

Manuskript von Herrn Seiichi Nakate, Einwohner von Fukushima, zu seinem Vortrag in Freiburg anlässlich der ENA am 11.08.2011.

Guten Tag. Ich bin Seiichi Nakate aus Fukushima, Japan, Vertreter für das „Fukushima Netzwerk zur Rettung von Kindern vor Strahlung“.

Unser Feind ist nicht die Strahlung. Es sind „diese Leute“ die versucht haben, den Schaden den die nukleare Katastrophe angerichtet hat, viel kleiner aussehen zu lassen als er wirklich ist, was schließlich Kinder tötet.

„Sie“ haben gewaltige Entscheidungs- und Finanzmacht mit der sie die Regierung und die Massenmedien manipulieren, um Japan zu kontrollieren. „Ihre“ Habgier ist durch den Atomunfall zu Tage getreten und hat uns Bewohner der Präfektur Fukushima attackiert. Ich bin nicht sicher, wer „sie“ sind. Aber „ihre“ Gegenwart stets vor mir wahrnehmend, kämpfe ich gegen sie um das Leben der Kinder und ihre Zukunft zu retten.

Am 11. März löste ein gewaltiges Erdbeben den Atomunfall aus. Am 12. März kam es zum Ablassen von radioaktivem Gas, danach folgte die Explosion. Jetzt erst begannen Fernsehen und Radio zu berichten, dass sich ein Atomunfall ereignet hatte.

Die Menschen waren erfüllt von ungeahnter Angst. Dann begannen Zwangsevakuierungen im Umkreis von 20 Kilometern um die zerstörten Anlagen, aber die Orte an die sie sich begeben sollten, waren nur 50 bis 100 km entfernt. Die japanische Regierung verkündete, dass es keine unmittelbaren Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit geben werde. Viele Menschen klammerten sich an diese Worte.

Journalisten der Massenmedien waren angewiesen, nicht die Besorgnis der Bevölkerung anzustacheln und es wurde verboten die Bewohner über die drohende Gefahr zu informieren.

Die Einwohner ließen ihre Kinder ins Freie, wo sie den radioaktiven Gasen ausgesetzt waren um nach Wasser anstehen. Als es anfing zu regnen und zu schneien, wurde die Erde von enormen Mengen kontaminierten Schnees und Regens kontaminiert.

Die radioaktiven Wolken verteilten sich über die ganze Präfektur Fukushima, 300 Kilometer entfernt von der zerstörten Atomanlage.

Die zulässige Strahlenbelastung für die Öffentlichkeit und der Kontamination von Lebensmitteln wurden um das zehn- bis zwanzigfache über die rechtlich zulässigen Werte angehoben.

Am 13. März, als die radioaktiven Gase abnahmen, wurde ein Berater in die Präfektur entsandt. Er wiederholte immer wieder: „Es wird ihrer Gesundheit nicht schaden“.

Am 31. März kam ein weiterer Berater, er entschied, dass Schulen außerhalb der „Evakuierten Zonen“ wieder öffnen konnten.

Die Massenmedien verbreiteten diese Worte ohne jegliche Kritik.

Am 19. April gab das Ministerium für Erziehung und Wissenschaft eine Notiz heraus, die besagte, dass diejenigen, die in Gegenden lebten, in denen die Jahresdosis unter 20mSv war, nicht evakuiert zu werden brauchten, auch nicht ihre Kinder.

Innerhalb von ungefähr drei Wochen nach dem Unfall, gelang es „ihnen“ die Menschen glauben zu machen, es gäbe außerhalb des 20 km Umkreises um die Atomkraftwerke keine Gefahren. Dies verursachte massive unnötige Strahlenbelastungen.

Diejenigen, die die Gefahren der Verstrahlung kannten, flohen unverzüglich aus der Präfektur Fukushima. Nur wenige atomkritische Bürger blieben. Ich war einer von ihnen.

Am 31. März machte ich mit einigen meiner Mitstreiter eine Stichproben- Untersuchung der Grundschulen mit einem Geigerzähler.

Wir gaben die Ergebnisse unserer Untersuchung an die Behörden. Die Präfektur führte daraufhin eine Untersuchung aller Schulen durch. Wir machten öffentlich, dass der Grad der Verstrahlung von 76 % der Schulen in der Gegend dem Grad der Verstrahlung innerhalb der sogenannten „Strahlungs-kontrollierten Zone“ entsprach.

In diesen hochgradig kontaminierten Gebieten lebten 1.500.000 Menschen, davon 300.000 nicht geschützte Kinder.

Wir haben diese Informationen ins Netz gestellt. Über einen Blog riefen wir zur Solidarität auf und gründeten das Fukushima Netzwek zur Rettung der Kinder vor Strahlung.

Einige Stadtverwaltungen begannen zu handeln, wobei sie die Anweisungen der Regierung entweder nicht kannten oder ignorierten.

Kooriyama ging bei der Dekontaminierung voran, dem Abtragen der Bodenoberfläche auf den Schulhöfen. Als die Stadt von Massenmedien und Regierung dafür kritisiert wurde, dass sie die normalen Mülldeponien mit radioaktivem Boden verseuche, forderte die Stadt ihrerseits, dass Tepko den Abfall entsorgen solle.

Die sogenannte „20 mSv – für – Kinder- Regel“ veranlasste auch Atomgegner von auswärts ihre Kritiken vorzutragen.

Jetzt konnten auch die Massenmedien nicht länger schweigen.

Am 2. Mai hatten wir ein Treffen mit dem Ministerium wo wir die Rücknahme der offenkundig falschen Angabe (100 mSy o.k.) forderten.

Es gelang uns, dass das Ministerium versprach, die Erklärung zurückzunehmen. Jetzt wurde das auch zum ersten Mal über Zeitungen und Fernsehen verbreitet.

Am 1. Juni begannen wir mit Aufrufen zur freiwilligen Evakuierung. Es verließen 50.000 Einwohner die Präfektur Fukushima, weitere 80.000 wollten nur für die Sommerferien Fukushima verlassen.

Im Juli begannen Gemeindeverwaltungen ihre eigene Überwachung des Kontaminationszustandes, wobei sie einen Hotspot nach dem anderen fanden.

Aber das Unglück geht weiter. Ca. eine Million Menschen sind noch im kontaminierten Gebiet, darunter mehr als 200.000 Kinder.

Wir dürfen die Tragödie von Tschernobyl nicht wiederholen.

Freiwillige Evakuierung ist nicht leicht. Wir fordern jetzt eine Erweiterung der Evakuierungsmaßnahmen: die Leute sollen zuerst evakuiert werden, und dann sollen die evakuierten Gebiete sorgfältig dekontaminiert werden, damit danach die Menschen möglichst an ihre angestammten Orte zurückkehren können

Fukushima befindet sich noch immer im Notstand. Der Kampf geht weiter zwischen uns auf der einen Seite, die wir versuchen, die Kinder vor Strahlenschäden zu bewahren und auf der anderen Seite „denen“, die noch immer versuchen, den Schaden durch den Atomunfall kleiner wirken zu lassen, als er wirklich ist: schlussendlich für Kinder tödlich.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.